Das Kartenschaffen im Deutschen Reich war im 19 Jh. noch überwiegend das Werk einzelner schöpferischer "Kartenmacher".
Nachdem seit etwa 1850 die topographischen Aufnahmeverfahren - vorwiegend mit dem Meßtisch - mit ausreichender Genauigkeit eine Bearbeitung von topographischen Kartenwerken ermöglichte, die Kartenverlage den steigenden Bedarf nach Welt- und Schulatlanten, Wandkarten, Verkehrs- und Wanderkarten decken mussten, aber auch neue Herstellungstechniken eingeführt wurden, forderte das Kartenschaffen zunehmend eine Arbeitsteilung mit begrenzten Spezialtätigkeiten, etwa den darstellenden, entwerfenden Kartographen und den die Vervielfältigung ermöglichenden Kartokupferstecher oder Kartolithographen, später auch Kartenzeichner; die "Kartenkunst" füherer Zeiten entwickelte sich immer mehr zur "Kartentechnik". Dazu gesellten sich Anlernlinge aus scheinbar verwandten Arbeitsgebieten, wie Litographen, Graphiker, technische Zeichner usw., insgesamt gab es zum Ende der zweiten Dekate des 20 Jh. ein Mosaik aus den verschiedensten Berufsgruppen, für die einheitliche Ausbildungsrichtlinien nicht bestanden. Jede kartographische Firma bildete den Nachwuchs speziell nach den eigenen Bedürfnissen aus, so daß ein Stellenwechsel mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Einarbeitung verbunden war.
Als Lehrberuf anerkannt wurden erst 1942: Kartolitograph, Kartokupferstecher und Landkartenzeichner für die praktische Ausbildung. 1959: Kartograph für die betriebliche Ausbildung (daneben behördl. gepr. Landkartentechniker). 1975, neu bearb. 1982: Staatlich anerkannter Ausbildungsberuf für den gewerblichen und behördlichen Bereich "Kartograph".

Höhere Graphische Fachschule / Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe

1935 ist das Jahr, in dem mit einer kartographischen Fachschulausbildung in Berlin der Grundstein für eine stetige Entwicklung zum kartographischen Ingenieurstudium gelegt wurde. Am 8.10.1935 begannen an der Höheren Graphischen Fachschule (ab 1940 Meisterschule für Graphik und Buchgewerbe) die zweisemestrigen kartographischen Abendkurse für im Berufsleben Stehende mit einer mindestens dreijährigen Praxis, die sich durch die Weiterbildung - besonders im amtlichen Bereich - ein berufliches Fortkommen erhofften. Da die kartographische Zeichenfertigkeit vorausgesetzt werden konnte, gab es vorwiegend theoretischen Unterricht sowie kartographische Entwurfsarbeiten, die auch Aufgaben aus der Privatindustrie berücksichtigten.
Es wurde ein Abschlußzeugnis erteilt, das zur Führung der Berufsbezeichnung "staatlich geprüfter Kartograph", ab 1943 "Ing. für Landkartentechnik", berechtigte und ab 1966 zur rückwirkenden Graduierung durch den Berliner Senator für Schulwesen führte.

Am 3.05.1936 begann die Abteilung Kartographie das Vollstudium mit 16 Studenten.
Schwerpunkt dieses Kompaktkurses war die Schulung der kartographischen Zeichenfertigkeit: Zeichengeräte, Kartenschrift, Signaturen, dann für die Topographische Karte 1: 25 000 das Zeichnen in vergrößertem Maßstab oder als 1:1-Ausschnitt auf Karton.
Am Ende des Studiums erfolgte eine Prüfung durch eine Kommission unter "staatlichem Vorsitz". Mit dem Abschlußzeugnis war die Voraussetzung gegeben, als "staatl. gepr. Kartograph" in den mittleren gehobenen technischen Dienst bei einem Amt einzutreten. Über den Titel wurde weiter nachgedacht. Zunächst wollte man einen "amtl. gepr. Kartographen", der den privaten Bereich aber ausschließen würde. Erst durch einen Erlaß des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 29.04.1943 wurde der Titel "Ingenieur für Landkartentechnik" vergeben. Der Urheber dieser Berufsbezeichnung ist nicht bekannt, vermutlich ein Referent des Ministeriums, der die Begriffe "Ingenieur" und "...technik" verwenden wollte, und dem Kartentechnik nicht speziell genug war (Spielkarten?!).

Neubeginn 1945 an den Vereinigten Bauschulen von Berlin

Nachdem im Februar 1944 die Meisterschule bei einem Luftangriff zerstört wurde, fanden die graphischen Abteilungen nach Kriegsende zunächst Notunterkünfte in Ost- und Westberlin. Anton Peterle bemühte sich um eine Kartographie-Ausbildung im Ostteil der Stadt, die aber später an der Ingenieurschule in Dresden eingerichtet wurde. Es ist schließlich Julius Köhr zu verdanken, daß die die kartographische Ingenieur-Ausbildung bereits im Oktober 1945 bei der Vermessungsabteilung der "Vereinigten Bauschulen von Groß-Berlin" eine neue Heimstatt fand. Im Zuge der 1954 verordneten Umbenennung in "Staatliche Ingenieurschule für Bauwesen Berlin" wurde der mit der Vermessungstechnik verbundene Studiengang Landkartentechnik selbständig.

Die Gesamtzahl der Kartographie-Studenten wuchs von 1950 bis 1959 rapide an, von 30 im SoSe 1950 bis zur Maximalzahl 174 im WS 1955/56, dann bis zum SoSe 1959 im Durchschnitt 110 Studenten, wobei zu berücksichtigen ist, dass ab SoSe 1953 erstmals eine halbjährliche Aufnahme von Studienbewerbern erfolgte.

Reformen der 60er

1966 folgte die nächste Umbenennung, diesmal in "Ingenieurakademie für Bauwesen Berlin". Während erste Entwürfe für ein Fachhochschulgesetz entstanden, bildete die Abteilung Landkartentechnik 1968 eine "Studienreformkommission" aus Dozenten und Studenten, um die Reformpläne in einen neuen Lehrplan umzusetzen: Förderung des selbständigen Studiums durch Herabsetzung der Wochenstundenzahl von 36 auf 30 Stunden; Reduzierung der Fächerzahl sowie die Einführung des Studienjahres anstelle des Semesters als Beurteilungszeitraum mit der Absicht, die Leistungsnachweise (Klausurstress) zu verringern.

Weiterhin begannen Ende der 60er Planungen für einen Neubau, nunmehr neben den Ingenieurakademien Beuth und Gauß im Wedding an der Luxemburger Straße.

>> weiterlesen: Kartographie-Studium an der TFH Berlin

Auszugsweise zitiert aus und in Anlehnung an Hans Ferschke,
"50 Jahre kartographische Ausbildung in Berlin",
in "50 Jahre kartographische Ingenieur-Ausbildung in Berlin", TFH Berlin, 1985;
Bearbeitung: Martin Vigerske, Ursula Ripke